Insider-Wissen zum Buffalo-Fahrrad

Wir haben uns mit Chris Raymo, der leitenden Ingenieurin bei World Bicycle Relief, zusammengesetzt, um mehr über ihre Arbeit zu erfahren.

Frage: Warum brauchen die Menschen in den Regionen, in denen wir arbeiten, ein besonderes Fahrrad?

Antwort: Als World Bicycle Relief anfing, sich mit Programmarbeit in ländlichen Regionen Afrikas zu befassen, waren die Fahrräder, die man auf dem Kontinent fand, nicht dafür gebaut, schwere Lasten zu tragen oder den rauen Bedingungen standzuhalten. Jedes Fahrrad da draußen war nach kurzer Zeit unbrauchbar.

Die Fahrräder, die es im Markt gab, entsprachen einem so genannten Roadster. Dabei handelt es sich um einen sehr alten, traditionellen Fahrradtyp mit veralteter Technik. Die Rahmen boten nicht unbedingt eine universelle Passform, und die Fahrräder ließen sich in extremen Umgebungen oder bei starker Belastung schlecht handhaben.

Die verbauten Komponenten auf diesen Rädern sind in der Regel halbherzige Nachbildungen von Konstruktionen, die Jahrzehnte zuvor für den Einsatz in einer völlig anderen Umgebung entwickelt wurden. Das ist in etwa so, als wüsste man, dass man eigentlich eine Gabel braucht, bekommt aber einen Löffel in die Hand gedrückt und sagt: „Das wird schon irgendwie funktionieren!“

Es liegt ein großes Potenzial darin, die besonderen Anforderungen in ländlichen, strukturschwachen Regionen zu erfassen und Lösungen zu erarbeiten, die dezidiert auf diese spezifischen Bedürfnisse zugeschnitten sind. Unsere Stärke liegt darin, die moderne Fahrradindustrie und deren  Technologien und Lieferkettensysteme mit den Bedürfnissen der Menschen in unseren Programmregionen zusammenzubringen.

Die Magie beginnt dort, wo man diese beiden Perspektiven in Verbindung setzt. Das ist tatsächlich etwas besonderes, weil das außer uns niemand macht – aber so komplex ist die Sache auch wieder nicht. Es gibt so viel Potenzial für radikale Verbesserungen, indem man einfach die Problemstellung richtig formuliert.

Unser Team hat einen Leitspruch: "Mehr Kilometer in kürzerer Zeit, mehr Last mit weniger Kraftaufwand".

Frage: Wie entscheidet dein Team, welche Änderungen am Fahrrad vorgenommen werden sollen?

Antwort: Alle Entscheidungen orientieren sich an den Anforderungen der Nutzerinnen und Nutzer. Das ist eine ziemlich weit gefasste Aussage, denn die Bedürfnisse sind sehr unterschiedlich und die Fahrräder kommen auf vielfältige Weise zum Einsatz. Letztlich brauchen aber alle ein sehr robustes, verlässliches, pflegeleichtes Bike.

Unser Team hat einen Leitspruch: „Mehr Kilometer in kürzerer Zeit, mehr Last mit weniger Kraftaufwand“.

Aus unserem Testprogramm heraus ergeben sich immer wieder vielversprechende Entwicklungsideen. Wir haben ein unglaubliches Team von Testfahrerinnen und Testfahrern, die unbezahlbare Erkenntnisse liefern, auf denen wir aufbauen können. Einige dieser Fahrerinnen und Fahrer arbeiten seit über einem Jahrzehnt mit uns zusammen – wie Jackton.

Unser Testteam stellt die Buffalo-Räder wirklich auf die Probe und setzt sie Bedingungen aus, die wir in einem Labor nicht nachstellen können. Ihr Nutzungsverhalten unterscheidet sich so sehr vom Massenmarkt in unseren Breiten, dass die Standardtests der Industrie gar nicht anwendbar sind. Die Belastungen, Strecken und Bedingungen, die das Testteam täglich bewältigt, ermöglichen es uns, den Lebenszyklus eines Fahrrads nachzuvollziehen und zu klären, wo wir bei der Produktentwicklung Prioritäten setzen müssen.

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Frage: Was sind einige der wichtigsten Änderungen, die am Buffalo-Fahrrad über die Jahre vorgenommen wurden?

Antwort: Meine Güte, das ist schwer zu beantworten. Ich würde sagen, es sind die unzähligen kleinen Verbesserungen und die Liebe zum Detail, die das Buffalo von anderen Fahrrädern auf dem Markt unterscheiden. Eine größere Veränderung, wie die Rahmengeometrie, mag zwar optisch auffallen, ist aber nicht unbedingt wichtiger als einige der weniger auffälligen Verbesserungen.

Nehmen wir zum Beispiel den Sattel. Fahrräder stehen stundenlang in der rauen afrikanischen Sonne, und die meisten Sättel lösen sich irgendwann auf. Nach sorgfältiger Materialentwicklung und -prüfung übertrifft der aktuelle Buffalo-Sattel die Konkurrenz bei weitem; er ist nicht nur funktionstüchtig, sondern auch sehr bequem.

Manche mögen das nicht als große Verbesserung ansehen, aber wenn Du jemals versucht hast, mit einem kaputten Sattel eine längere Strecke zu fahren … dann wirst Du mir wahrscheinlich zustimmen!

Frage: Handelt es sich bei den Komponenten des Buffalo um handelsübliche Produkte oder um Sonderanfertigungen?

Antwort: Für das ursprüngliche Buffalo-Fahrrad hat FK Day [Anmerkung: Mitgründer von World Bicycle Relief] ein Fahrrad mit bestehenden Fahrradkomponenten aufgebaut. Das Ziel war es, einen Bedarf zu decken, der bisher übersehen wurde. Als der Anfang erstmal gemacht war, begann die Zusammenarbeit mit den Produzenten dieser Komponenten, um schrittweise Qualitätsverbesserungen vorzunehmen. Das ist ein großartiges Beispiel dafür, wie der Austausch von Branchenkenntnissen Produkte beeinflussen kann, denen zuvor wenig bis gar keine Aufmerksamkeit geschenkt wurde.

Mit der Zeit wurde die Zusammenarbeit mit den Produzenten immer enger und daraus ergab sich die Möglichkeit für weitere spezifische Modifikationen. Diese Entwicklung hat sowohl ein Fahrrad als auch eine Marke hervorgebracht, die jetzt als Goldstandard für belastbare Fahrräder anerkannt ist.

Jetzt haben wir den nächsten logischen Schritt ins Auge gefasst – wir möchten unsere Branchenkenntnisse und -beziehungen nutzen, um komplett neue Produkte und eigene Designs zu entwickeln, die die speziellen Anforderungen in unseren Programmregionen erfüllen.

Frage: Was sind die verrücktesten Ideen, die ihr je in Erwägung gezogen habt?

Antwort: Die Sache ist die: Jede „verrückte“ Idee ist wahrscheinlich schon einmal gedacht worden.

Fahrräder gibt es seit dem frühen 19. Jahrhundert. Wenn du also denkst, dass du eine ganz neue Idee hast, ist die Wahrscheinlichkeit ziemlich groß, dass sie gar nicht so neu ist.

Frage: Woran arbeitet dein Team aktuell?

Antwort: Wir können nicht alle unsere Geheimnisse ausplaudern. Aber sagen wir es mal so: Nicht mehr lange und wir können eine Weltneuheit präsentieren. Und das ist nicht übertrieben.

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